Meine Freundin hat mich dazu überredet, die Fernsehserie Bridgerton mit ihr gemeinsam anzuschauen. Falls Sie die Serie nicht kennen, hier die Kurzfassung: Bridgerton handelt von Intrigen in den Eliten Englands im späten 18. Jahrhundert. Nicht ganz mein Geschmack, aber was macht man nicht alles für seine bessere Hälfte.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht insgeheim das ganze Drama ein Stück weit genieße. Aber was mir an Bridgerton am besten gefällt, ist, dass es deutlich macht, wie sehr sich die Dinge in den letzten 100 Jahren verändert haben. 

Alles, von der Art, wie sich die Menschen kleiden und reden, bis hin zu der Art, wie sie tanzen und feiern. Es liegen Welten zwischen dem, was wir heute kennen. Die Serie dient als perfektes Beispiel für eine der unvermeidlichen Wahrheiten des Lebens:

  • Alles verändert sich. 
  • Auch Poker ist da keine Ausnahme. 

Selbst mit seinem relativ starren Regelwerk hat sich das Spiel in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Genau um diese Veränderung soll es in diesem Artikel gehen. 

Inhaltsverzeichnis

Die Old-School-Spieler

Eine der wichtigsten Veränderungen beim Poker betrifft die Menschen an den Tischen. Während Sie sich in den Casinos heutzutage ziemlich sicher und einladend fühlen, war das früher ganz anders. 

Dank gemeinsamer Freunde hatte ich das Glück, bei mehreren Gelegenheiten ein paar Bier mit dem leider bereits verstorbenen Dave 'The Devilfish' Ulliot zu trinken. The Devilfish ist eine echte Pokerlegende, die schon spielte, als Poker noch deutlich gefährlicher als heute war.  

Wie der High-Stakes-Spieler und Casinobesitzer Rob Yong in einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2019 anmerkte, "liebte es Dave, im Mittelpunkt zu stehen". Es ist also keine Überraschung, dass die Treffen mit ihm von spannenden Geschichten über seine wilde Pokerkarriere dominiert wurden. 

Aber das störte niemanden, denn Ulliot hatte ein natürliches Talent als Geschichtenerzähler. So saßen wir fröhlich um ihn herum wie Kleinkinder bei einer Märchenstunde und hingen an seinen Lippen. 

Er erzählte uns von bedrohlichen Situationen in Untergrund-Casinos und vielem mehr. Seine Beschreibung des Pokerspiels im Jahr 2008 war folgende: "Ein Lebensstil wie James Bond nur ohne die Kugeln.“

In einer alten Dokumentation über Ulliot beschrieb er die Pokercommunity als einen Haufen von "Lügnern und Verrätern". Er erinnerte sich daran, dass er eine Snookerkugel in einer Socke benutzte, um sich gegen Straßenräuber vor den Casinos zu verteidigen. 

Diese Erzählungen spiegeln die Geschichten wider, die Doyle Brunson in Interviews erzählt. Die Anekdoten zeichnen das Bild einer Wild-West-Umgebung nur ohne echte Cowboys, dafür aber mit waschechten Mafiosi. 

Die modernen Pokerspieler

Der Pokerboom hat das alles geändert. Dank des Online Pokers (zusammen mit Moneymakers Sieg beim WSOP Main-Event) änderte sich die Einstellung der Menschen zum Poker. Die Leute konnten viel mehr Hände spielen und ihre Fähigkeiten in viel kürzerer Zeit verbessern als zuvor in einem herkömmlichen Casino. 

Auch die ersten speziellen Internetforen für Poker sorgten für diese Entwicklung. Die Leute begannen, innovative Strategien und Ideen auszutauschen. Wie bei den meisten Dingen gilt auch hier: Übung macht den Meister. Da so viele Spieler über die besten Strategien, Bet Sizings usw. diskutierten, stieg das Niveau des Spiels. 

Dieser Zustrom junger, hochveranlagter Spieler veränderte die Pokerlandschaft vollkommen. Fast 20 Jahre später dominieren diese Spieler das Geschehen in der Pokerwelt. 

  • Das Durchschnittsalter ist viel niedriger als früher.
  • Die typische Persönlichkeit ist eher fleißig als einschüchternd. 
  • Klappmesser und Schrotflinten sind durch Formeln und Solver ersetzt worden.

Die Darstellung des Pokerspiels in Hollywood Blockbustern führt dazu, dass viele die Pokerbranche immer noch in einem schlechten Licht sehen. In Wirklichkeit sind die Pokerspieler von heute weit weniger kriminell, als es damals der Fall war.

Der durchschnittliche moderne Pokerspieler ist eher dem introvertierten Spektrum zuzuordnen. Das ist ironisch, denn die Spiele selbst sind aus strategischer Sicht viel aggressiver geworden. 

Safety First, danach kommt die Entwicklung

Mit dem Online-Poker hat sich einiges verändert. Man konnte ganz bequem von zu Hause aus spielen, egal um welchen Einsatz. Es gibt keine Gefahren, die den Spieler irgendwie beeinträchtigen können – außer vielleicht ein Problem mit dem Internetanbieter. 

Als die großen Online-Poker-Anbieter die Branche monopolisierten, wurde der Zugang zu guten Live Poker spielen viel einfacher. Es war nicht mehr nötig, an großen Spielen in Untergrund-Casinos teilzunehmen. Und die Risiken, die mit dem Spielen in solchen Lokalitäten verbunden waren, waren fast nicht mehr vorhanden.

Die Leute konnten ihre Snookerkugeln zu Hause lassen, in der Gewissheit, dass sie nicht ausgeraubt werden, denn sie konnten sich ihre Gewinne direkt auf ihr Online-Poker- oder Bankkonto überweisen lassen. 

Auch die Spielorte selbst machten das Spiel attraktiver:  Die Casinos wurden reguliert, hatten ihre eigenen Sicherheitsteams und setzten Kameras ein, um Betrug zu verhindern. Die gesamte Branche fühlt sich viel sicherer an, was mehr Spieler dazu ermutigt, ihre Chance zu nutzen.

Heute ist die Branche ein sicherer und regulierter Ort zum Spielen geworden.

Vergessen Sie die Etikette

Der Pokerroom des Bellagios in Vegas ist mein Lieblingsort zum Pokern. Er befindet sich nicht nur in einem der schönsten und berühmtesten Casinos auf dem Strip, sondern hat auch eine einzigartige Atmosphäre gepaart mit einem spielerorientierten Management, das für das bestmögliche Spielerlebnis sorgt.

Ich kann mich noch gut an meine erste Session erinnern, nicht dass ich viel gepokert hätte. Da es eine lange Warteliste gab, musste ich eine Zeit lang warten. Als ich mich mit der Location vertraut machte, bemerkte ich ein Schild an der Wand, auf dem die Hausregeln aufgelistet waren. 

Neben den üblichen, langweiligen Rake- und Regulierungsbestimmungen des Casinos war darauf zu lesen, dass ein "Check-and-Raise" erlaubt ist. 

Diese Regelung erschien mir ziemlich bizarr. Natürlich nicht, weil Check-Raising erlaubt war. Aber das Casino hatte das Gefühl, dass dies bestätigt werden musste. Es schien so, als ob man sagen würde, man dürfe seine Unterwäsche waschen oder mit dem Hund spazieren gehen. Meiner Meinung nach waren Check-Raises ein normaler Bestandteil einer erfolgreichen Pokerstrategie. 

Warum sollten dies nicht erlaubt sein? 

Um die Regel zu verstehen, müssen wir über die Aktualität der aufgelisteten Hausregeln sprechen. Da der Pokerroom des Bellagio 1998 eröffnet wurde, hat das Casino diese Regeln wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt angebracht. Das ist jetzt noch nicht allzu lange her, bedeutet aber, dass die Hausregeln aus der Zeit vor dem Pokerboom stammen.

Sie stammen aus einer Zeit, in der die meisten Pokerspieler noch eine ganz andere Mentalität hatten. 

Wie Sie vielleicht den Kommentaren älterer Gegner entnommen haben, galt es oft als höflich und gentlemanlike, "eine Bet zu machen". 

Infolgedessen hielten viele das Check-Raising (oder „Sandbagging“, wie es genannt wurde) für unhöflich und unehrenhaft. Die Leute hassen es, wenn sie einen Check-Raise kassieren. Die soziale Beleidigung eines großen Check-Raises führte wahrscheinlich zu vielen hitzigen Situationen. 

Das steht im krassen Gegensatz zu den heutigen Spielen, in denen ein Check-Raise zum Standard gehört. Viele Leute halten heute beispielsweise einen Check-Raise-Bluff für ein ziemlich mieses Play.

Nach den heutigen strategischen Maßstäben ist man möglicherweise kein sehr guter Spieler, wenn man nicht oft genug check-raist.

Die neue Haltung in Bezug auf einen Check-Raise zeigt eine beträchtliche Veränderung in der Einstellung zum Pokern. Sie ist bezeichnend für eine Generation von Spielern, die darauf abzielt, rundum so ausgeglichen (im englischen spricht man von „balanced“) wie möglich zu sein. 

Jeder Nicht-Masochist findet Check-Raising weiterhin so ärgerlich wie die aktuellen Benzinpreise. 

Die modernen Spieler akzeptieren es jedoch als Teil des Spiels.

Markenbotschafter und Sponsoring

Eine weitere Sache, die sich in den letzten Jahren stark verändert hat, ist die Verbreitung von Markenbotschaftern und Sponsorings. Auf dem Höhepunkt des Pokerbooms musste man einfach nur das richtige Turnier gewinnen, um ein Sponsoring zu erhalten. 

  • Aufnäher (sogenannte „Patches“) in allen Formen und Farben schmückten die Hemden aller Spieler, die das Glück hatten, an einem Feature Table zu sitzen.
  • Die Pokeranbieter warfen mit Sponsorengeldern nur so um sich.

Die Aussicht auf Ruhm und Reichtum beim Pokern war also eine sehr realistische Aussicht. Viele Spieler setzten sich diese Ziele. Markenbotschafter zu werden oder in das Pro-Team eines großen Pokeranbieters zu kommen, war sowohl erreichbar als auch befriedigend. 

Die Sicherung eines Sponsors schien eine gute Möglichkeit zu sein, die finanzielle Instabilität des professionellen Pokers auszugleichen. Allerdings ging es nicht nur um das Geld. 

Die kurzfristigen Ergebnisse stehen oft in keinem Zusammenhang mit der Qualität der eigenen Leistung. Der Team-Pro-Status bietet eine Bestätigung, die im Poker selten ist. Marketingkampagnen stellten die Mitglieder dieser Teams als unschlagbare Pokergötter dar.

Heutzutage ist es viel schwieriger, Sponsoren zu finden, denn der Markt hat sich verändert. Aufgrund des gestiegenen Leistungsniveaus und der gesunkenen Popularität ist online weniger Geld im Umlauf. Die Anbieter gehen mittlerweile viel selektiver mit dem Sponsoring von Pokerspielern um.

Um einen Team-Pro-Status zu erlangen, ist heutzutage mehr harte Arbeit als Glück erforderlich. 

1. Man muss vermarktbar sein und gleichzeitig hart genug trainieren, um mit der Elite des Spiels mithalten zu können.
2. Oder (ehrgeizig) Zehntausende von Stunden in den Aufbau einer Community auf Twitch, Instagram oder YouTube investieren. 

Das macht den Titel eines solchen Status zwar sehr viel prestigeträchtiger, aber für die Spieler von heute auch deutlich schwieriger zu erreichen.

Viel Theorie, wenig Praxis

Poker hat sich auch aus sozialer Sicht drastisch gewandelt. Es wird immer eine kleine Anzahl von schlechten Verlierern, Besserwissern oder ähnlichen unerfreulichen Spielertypen geben. Heutzutage wird an den Tischen im Allgemeinen viel weniger gesprochen.

Auf höchstem Niveau tragen Spieler wie Christoph Vogelsang nicht unbedingt zur Atmosphäre des Spiels bei, indem sie 10 Minuten lang schweigen, bevor sie an der Reihe sein. Vogelsang mag zu den besten Pokerspielern weltweit gehören, aber er wäre kein geeignetes Werbegesicht für einen großen Pokeranbieter.

Vergleichen Sie seinen langsamen, leblosen Stil mit Spielern wie Phil Hellmuth, Phil Laak, Daniel Negreanu, Antonio Esfandiari und Tony G. Deren Interaktionen ließen Poker in Fernsehsendungen wie Poker After Dark und High Stakes Poker unterhaltsam und attraktiv erscheinen. 

Sogar online ersetzen viele Anbieter die Chatbox durch Emojis oder entfernen sie ganz. Es scheint, dass soziale Interaktion nicht mehr in Mode ist.

Warum reden die Spieler nicht mehr?

Wie wir bereits erwähnt haben, hat der Pokerboom einen Zustrom jüngerer, fleißiger Spieler mit sich gebracht. Diese Spieler dominieren heutzutage an den Tischen und sie sind garantiert nicht zum Plaudern gekommen. 

Sie sind gekommen, um sich Ihr hart verdientes Geld zu schnappen. 

Online spielen die meisten Spieler in der Regel viele Spiele gleichzeitig, was eine Unterhaltung nahezu unmöglich macht. Manchmal fühlt es sich so asozial an wie eine U-Bahn-Fahrt zu den Hauptverkehrszeiten. 

Chatten scheint online kein Thema mehr zu sein. 

Das Gleiche gilt für Live-Spiele. Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass Sie einen Tisch mit lauter Vogelsangs finden, werden die Spiele immer ernster. Vor allem, wenn man sich von den Micro Stakes entfernt, die viele (vor allem ältere) Freizeitspieler zum Vergnügen spielen. 

Aber die zunehmenden Fähigkeiten der Spieler zwingen sie dazu, das Spiel ernst zu nehmen, um überhaupt eine Chance zu haben. Dank der unzähligen Online-Inhalte sind selbst die meisten Freizeitspieler heutzutage relativ solide Pokerspieler.

Der Anteil aktueller oder angehender Profis an den Tischen ist höher als vor 10 oder 20 Jahren. Bei vielen Home Games und Spielen mit hohen Einsätzen sitzen oft nur ein oder zwei Amateure am Tisch.

Wenn Sie sehen wollen, wie sehr sich das Spiel verändert hat, vergleichen Sie die Einstellung der älteren Spieler mit der der jüngeren Pokerspieler. Die etwas ältere Generation (z. B. die 40- und 50-Jährigen) ist eher bereit, ein Bier zu trinken und ein wenig zu plaudern. 

Die Dinge ändern sich - das müssen wir akzeptieren. 

Poker hat sich in den letzten 25 Jahren stark verändert. 

Wer weiß, wie es den kommenden 25 Jahren aussehen wird!
 

Dan O’Callaghan ist ein professioneller Pokerspieler, der seine Anfänge in der Online Pokerwelt als Danshreddies hatte. Er hat über 290.000 US-Dollar an Online Einnahmen gesammelt.