Wir alle wissen, dass Poker hochkomplex ist. Mit dem Aufkommen von Software-Tools wie Solvern wird noch offensichtlicher, dass es nur fünf Minuten dauert, Poker zu lernen, aber ein Leben lang, um es zu meistern (um den leider bereits verstorbenen Mike Sexton zu zitieren). 

Eine fantastische Möglichkeit, die Masse an Informationen, die Pokerspielern zur Verfügung steht, zu vereinfachen, ist die Verwendung mentaler Modelle. Aber was ist ein mentales Modell? 

  • Ein mentales Modell ist eine übergreifende Erklärung dafür, wie etwas funktioniert. Es kann als Abbild der Wirklichkeit in der menschlichen Wahrnehmung bezeichnet werden.
  • Ein mentales Modell kann ein Konzept, ein Rahmen oder sogar eine Weltanschauung sein, die hilft, der Welt (oder in diesem Fall dem Poker) einen Sinn zu geben. 

Mentale Modelle sind wirksam, weil sie vereinfachte Vorstellungen sind, die Ihnen helfen können, besser zu verstehen, was um Sie herum geschieht. Das ultimative Ziel eines mentalen Modells ist sein Nutzen. Seine Anwendung kann dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit eines guten Ergebnisses zu maximieren. 

Beispiele für mentale Modelle

Mentale Modelle gibt es in allen wichtigen Disziplinen. 

In der Geschäftswelt zum Beispiel ist ein Standardmodell: Gewinn = Einnahmen - Kosten

Angenommen, Sie sind ein Kleinunternehmer, der seine Rentabilität verbessern möchte. Nach diesem Modell brauchen Sie nur die Einnahmen und die Kosten zu betrachten. Wenn Sie sich auf diese beiden Bereiche konzentrieren (indem Sie nach Möglichkeiten suchen, die Einnahmen zu erhöhen oder die Ausgaben zu senken oder beides), werden Sie Ihr Ziel erreichen.

Sehen Sie sich an, wie dieses mentale Modell die unnötigen Dinge ausklammert und Ihnen hilft, sich auf mögliche Lösungen zu konzentrieren!

Die Maslowsche Bedürfnispyramide ist ein berühmtes mentales Modell in der Psychologie:

Denken Sie an alle Triebkräfte des menschlichen Verhaltens. Anhand des Maslow'schen Modells können wir sie auf die fünf universellen Grundbedürfnisse vereinfachen: 

  1. Physische Bedürfnisse
  2. Sicherheitsbedürfnisse
  3. Soziale Bedürfnisse
  4. Individualbedürfnisse
  5. Selbstverwirklichung

Aus Maslows Sicht muss man, um ein erfolgreiches menschliches Wesen zu sein, die Bedürfnisse von unten nach oben angehen. Wenn jemand keinen Zugang zu Nahrung, Wasser und Obdach hat, muss dieses Problem gelöst werden, bevor man sich mit den Bedürfnissen höherer Ordnung befasst.

Sich in der Pyramide nach oben zu arbeiten, kann zur Selbstverwirklichung führen. 

Ein mentales Modell kann Ihnen helfen, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen, indem es Ihr Verständnis für das, was um Sie herum geschieht, verbessert. 

Es wirkt wie ein Fahrplan, der Sie durch komplexe und potenziell schwierige Situationen führen kann. 

Sechs mentale Modelle, die als Grundlage für Ihre Pokerstrategie dienen!

Kommen wir nun zum eigentlichen Thema zurück. Es gibt mehrere mentale Modelle, die Sie sowohl am Tisch als auch beim Lernen abseits der Tische verwenden können.  

1. Die 80/20-Regel: Diese Regel besagt, dass 80 % Ihrer Ergebnisse aus 20 % Ihrer Bemühungen resultieren. Wenn Sie sich zum Beispiel Ihren Handverlauf ansehen, werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass 80 % Ihrer Gewinne aus nur 20 % Ihrer Hände stammen. 

Die 80/20-Regel lässt sich ebenfalls auf das Lernen abseits des Pokertisches anwenden. Sie werden viel schneller Ergebnisse erzielen, wenn Sie Prioritäten setzen und Ihre Bemühungen auf die richtigen Dinge konzentrieren. Wenn Sie Ihre Lern-Session planen, denken Sie an die Bereiche, in denen Sie sich am meisten verbessern können und die den größten Nutzen für Ihre Zeitinvestition bringen. Im Allgemeinen werden Sie den größten Nutzen daraus ziehen, wenn Sie an Ihren Preflop-Ranges arbeiten. 

Sie sollten außerdem Ihre Verteidigung im Big Blind verbessern, wenn Sie häufig Turniere spielen. Es ist spannend, gewisse Dinge zu studieren, die selten vorkommen (z. B. 5bet-River-Bluffs). Aber wenn Sie sich auf die Dinge fokussieren, die immer wieder vorkommen, nutzen Sie Ihre Zeit deutlich effektiver!

2. Umkehrung: Alte stoische Philosophen wie Epictetus und Marcus Aurelius haben diese Denkweise gefördert. Die Idee ist, dass man, bevor man handelt oder eine Entscheidung trifft, das Worst-Case-Szenario in Betracht zieht. 

  • Was ist das genaue Gegenteil von dem, was Sie sich wünschen? 
  • Was ist das schlimmstmögliche Ergebnis, wenn ich meine Hand so spiele?

Es mag kontraintuitiv erscheinen, solch negative Gedanken auf die eigene Poker Strategie anzuwenden. Aber es hat mehrere Vorteile, auf diese Weise zu denken:

  1. Erstens werden Sie in der Lage sein, Leaks in Ihrer Strategie zu erkennen, was Ihnen erlaubt, bessere Lösungen zu finden. Sie werden potenzielle Probleme "sehen", die Ihnen sonst vielleicht nicht auffallen würden.
  2. Zweitens können Sie gegenüber Ängsten desensibilisiert werden, wenn Sie sie sich oft genug vorstellen. Wenn Sie Angst davor haben, beim Bluffen erwischt zu werden, stellen Sie sich vor, dass Sie beim Bluffen erwischt werden! 

Die Umkehrung ist ein mächtiges Werkzeug, mit dem Sie potenzielle Probleme vorhersehen können. Wenn Sie ein guter Pokerspieler werden wollen, sollten Sie üben, vorwärts und rückwärts zu denken. Denken Sie nicht vom Anfang bis zum Ende. Denken Sie stattdessen vom Ende (dem River) zum Anfang (Preflop).

Diese mentale Einstellung wird Ihnen die Augen für viele Möglichkeiten öffnen, an die Sie vorher vielleicht nicht gedacht haben!

3. Ockhams Rasiermesser: Dieses Denkmodell besagt, dass die einfachste Lösung am wahrscheinlichsten wahr ist, wenn es mehrere Erklärungen gibt. Wenn Sie Karten spielen, denken Sie sich oft komplizierte Gründe aus, warum Ihr Gegner eine bestimmte Aktion ausgeführt hat. In Wirklichkeit ist die einfachste Erklärung meist auch die richtige! 

Ockhams Rasiermesser lässt sich auch auf das Lernen anwenden. Albert Einstein sagte, dass es fünf Stufen der kognitiven Fähigkeiten gibt: klug, intelligent, brillant, genial und einfach. Einfach ist die höchste Stufe! Er sagte, wenn man ein Konzept nicht einfach erklären kann, dann hat man es nicht wirklich verstanden. 

Versuchen Sie beim Lernen, sich selbst oder jemand anderem das Thema einfach zu erklären. Oft ist es schwieriger, ein Thema mit einfachen Worten zu erklären, als es aussieht.

4. Hock-Prinzip: Dieses Modell stammt von Dee Hock, dem ehemaligen Gründer und CEO von Visa. 

Er sagte die folgenden zwei Dinge:

  1. Einfache, klare Ziele und Prinzipien führen zu komplexen Verhaltensweisen.
  2. Im Gegensatz dazu führen komplexe Regeln und Vorschriften zu einem einfachen und dummen Verhalten

Mit anderen Worten: Halten Sie es einfach. Sorgen Sie dafür, dass Sie beim Lernen ein klares und einfaches Ziel vor Augen haben. So werden Sie schneller vorankommen. Sie können dieses Prinzip auch auf das Spielen anwenden und sich daran erinnern, das "Fancy Play"-Syndrom zu vermeiden. 

Im Zweifelsfall sollten Sie klare, einfache und präzise Spielregeln aufstellen und sich an diese halten. 

5. Via Negativa (Die Kunst des Weglassens): Wenn Sie erfolgreich sein wollen, was können Sie mitnehmen, um bessere Ergebnisse zu erzielen? Wir denken darüber nach, was wir hinzufügen müssen, wenn wir etwas erreichen wollen. Konzentrieren Sie sich stattdessen auf das, was Sie wegnehmen sollten. 

Sie sehen sich Ihren Handverlauf an und entscheiden, welche Hand Sie von einer bestimmten Position aus nicht mehr spielen wollen. Diese Handlung ist ein konkretes Beispiel für Via Negativa. 

Oder Sie wollen Ihre Gesundheit verbessern, weil Sie (zu Recht) glauben, dass dies Ihre Konzentrationsfähigkeit am Pokertisch verbessern wird. Am einfachsten ist es, wenn Sie sich überlegen, was Sie weglassen können, um bessere Ergebnisse zu erzielen (z. B. bestimmte Lebensmittel). 

Anstatt an alles zu denken, was Sie tun müssen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, denken Sie an die Dinge, die Sie unterlassen können.

6. Relativität: Es ist schwer, ein System zu verstehen, von dem wir selbst ein Teil sind. Es ist schwer, das ganze Bild zu sehen, wenn man mitten in einer Sache steckt. Das führt dazu, dass gewisse Dinge nicht erkannt werden. Wahrscheinlich haben Sie schon einmal erlebt, dass Sie nicht in einer Hand waren, aber deutlich sehen konnten, was passieren würde. Die Menschen in der Hand haben das vielleicht nicht mitbekommen. 

Es ist einfacher bestimmte Dinge zu erkennen, wenn wir von außen auf eine Hand schauen. Denken Sie daran und schließen Sie andere Perspektiven nicht vorschnell aus. Trainieren Sie nach genau diesen Dingen Ausschau zu halten. Sie zu bemerken kann Ihnen helfen, schlechte Entscheidungen zu vermeiden. 

Mentale Modelle sind Rahmenwerke, die die Wahrscheinlichkeit Ihres Erfolgs an den Tischen maximieren. 

Die richtigen Modelle zu verstehen, ist sehr wirkungsvoll. Wenn Sie Ihre Session-Strategie durch ein geeignetes mentales Modell analysieren, werden Sie einen Vorteil gegenüber den anderen Spielern haben.