Erst vor Kurzem haben Spieler vollständig erkannt, wie wichtig es ist, ihren Big Blind-Einsatz aggressiv zu verteidigen.

Es galt als korrekter Spielzug, dass man in der Big Blind-Position bei der größten Prozentzahl seiner Hände aussteigt, da man nach dem Flop ohne Position spielt. Wenn wir einige Jahre in der Zeit zurückreisen und in Erfahrung bringen könnten, wie die durchschnittliche Verteidigungsrange des BB gegen eine Eröffnung vom BTN aussieht, dann würden wir sicher etwas Ähnliches wie das hier zu sehen bekommen:

Nur ungefähr 10,56 % aller Hände wurden als Wert angesehen, gegen den BTN verteidigt zu werden. Selbst eine Hand wie KTo wurde als zu schwach angesehen, um sie erfolgreich zu verteidigen, da sie eventuell „dominiert“ werden kann. Suited-Connectors waren vollständig tabu. Es war einfach eine allgemein akzeptierte Tatsache, dass man von einer Blind-Position heraus niemals Suited-Connectors spielen sollte.

Modernes Cold-Calling

Wenn man zurückdenkt, dann erscheint die Beschränktheit der Defending Range eines gewöhnlichen Blind-Spielers als etwas lächerlich. Die meisten von uns würden nicht einmal im Traum so tight verteidigen, nur weil wir nicht in Position sind. Natürlich wollen wir die Bedeutung der Position nicht kleinreden. Es ist ein riesiger Nachteil nicht in Position zu spielen. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass wir einfach immer aussteigen sollten.

Tatsächlich ist es korrekt, als BB mit einer angemessen breiten Range von Händen trotz des Positionsnachteils zu verteidigen. Dafür gibt es folgende Gründe:

Modernes Cold-Calling

  • Wir erhalten einen besseren Preis für das Mitgehen (da wir schon 1 BB investiert haben).
  • Wir beenden die Action (es existiert keine Gefahr unter Druck gesetzt/überboten zu werden).
  • Wenn wir uns Spielern in einer Late Position gegenübersehen, dann eröffnen sie uns wahrscheinlich eine breite Range von Händen.

Lassen Sie uns einen kurzen Blick auf einen moderneren Ansatz werfen, wie man als Blind in derselben Situation verteidigt, nämlich durch einen Cold Call des BB gegen den BTN.

Modernes Cold-Calling

Der Unterschied ist sehr dramatisch. Dieses Diagramm veranschaulicht, dass wir in 31,5 % aller Fälle zu einem Flat Call tendieren sollten. Diese Range ist ungefähr dreimal so breit wie die ursprüngliche, bei der eine Verteidigung für richtig gehalten wurde.

Jedoch ist es auch wichtig an Folgendes zu erinnern: Je weiter wir in der Zeit zurückgehen, desto mehr Spieler neigten dazu mit einer supergroßen Erhöhung zu eröffnen. Es gab eine Zeit, da wurde es als Standard angesehen aus jeder Position heraus, inklusive des Buttons, mit dem Vierfachen des BB zu eröffnen. Wenn wir heutzutage sehen, dass jemand am Button mit einer Erhöhung von 4 BB eröffnet, dann nehmen wir automatisch an, dass es sich um einen schwächeren Spieler handelt. Es ist inzwischen ganz normal geworden mit 3 BB, 2,5 BB, 2,2 BB oder selbst Minigeboten zu eröffnen.

Deshalb muss auch der Betrag, um den erhöht wird, berücksichtigt werden, wenn wir die Unterschiede der modernen Verteidigungsranges aufzeigen. Die oben angegebene Range für einen Cold Call basiert auf der Annahme einer Eröffnung in Höhe des 2,5-fachen des BB. Der Unterschied in der Höhe des Eröffnungsgebots hat einen recht drastischen Effekt auf die Häufigkeit, mit der verteidigt werden sollte.

Gehen wir davon aus, dass wir uns nun einem Eröffnungsgebot in Höhe des Doppelten des BB vom Spieler am BTN gegenübersehen. Unsere Range für einen Cold Call sollte nun ungefähr so aussehen:

Modernes Cold-Calling

Wir sollten nun in ungefähr 50 % der Fälle verteidigen. Ein kleiner Unterschied in der Höhe des Eröffnungsgebots von nur 0,5 BB hat die Range, die wir verteidigen müssen, um fast 20 % erhöht! Aus diesem Grund ist der Versuch, eine vollständige Strategie für die Pre-Flop-Verteidigung zu entwickeln, so kompliziert. Basierend auf der Höhe des Eröffnungsgebots müssen wir große Anpassungen an unserer Strategie vornehmen.

Das Spiel nach dem Flop

Die erhöhte Häufigkeit, mit der wir nun einen Cold Call machen, kann uns nach dem Flop einiges an Kopfschmerzen bereiten. Insbesondere, wenn wir nicht gewöhnt sind, mit einer breiteren Range als vorher zu spielen.

Allein das Wissen um die möglichen Linien, die uns nach dem Flop zur Verfügung stehen, und wann wir diese einsetzen können, verschafft uns einen großen Vorteil. Lassen Sie uns einige davon näher betrachten.

Schieben/Erhöhen

Eine Option, mit der wir die erhöhte Range für einen Cold Call kompensieren, ist sicherzustellen, dass wir mit unserer Range nach dem Flop etwas härter agieren. Nehmen wir an, wir haben für die Post-Flop-Phase eine Fit-or-Fold-Strategie gewählt. Dann wäre es nicht länger richtig, wenn wir vor dem Flop eine breitere Range verteidigen. Wir würden unseren Gegnern nur eine Menge zusätzlicher Chips in den Pot legen, die sie nur einzusammeln bräuchten.

Eine Möglichkeit, wie wir unsere breitere Pre-Flop-Range verteidigen können, ist das aggressive Schieben/Erhöhen bei Flops, die unserer Hand ein gewisses Potential verschaffen. Es gilt als korrekte Spielweise, nach doppelt so vielen Flops durch Schieben/Erhöhen zu bluffen wie der Anzahl an Flops, bei denen wir zum Aufbau des Pots mit Schieben/Erhöhen bluffen. Anders ausgedrückt: in den meisten Fällen, in denen wir nach dem Flop Schieben/Erhöhen, sollten wir bluffen.

Die besten Hände, die sich für diese Strategie eignen, sind die mit Potential zu einer starken Hand aus 5 Karten auf dem River. Ein Straight-Draw, Flush-Draw und gute Backdoor-Draws sind alle gute Kandidaten. Wir werden später im Artikel noch einmal auf das Schieben/Erhöhen eingehen.

Das Floaten

Dieser Spielzug ist eine weitere Option, auf dem Flop zu verteidigen, wenn man sich einer C-Bet gegenübersieht. Hinsichtlich Made Hands (also, einer Hand die sich nicht mehr verbessern muss) sollten wir eine Strategie ähnlich der folgenden annehmen:

2 Paare oder besser – Schieben-Mitgehen in 3 Streets (unter der Annahme, dass wir nicht Schieben/Erhöhen)
Top Pair – Mitgehen in 2 Streets, Aussteigen auf dem River
2nd Pair, guter Kicker – Mitgehen in 2 Streets, Aussteigen auf dem River
2nd Pair, durchschnittlicher oder schlechter Kicker – Mitgehen in 1 Street, Aussteigen auf dem Turn
Bottom Pair – Mitgehen in 1 Street, Aussteigen auf dem Turn. (Gelegentlich Schieben/Erhöhen bei einer guten Backdoor.)

Nehmen wir an, dass wir mit einer Draw-Hand floaten, dann ist es sehr wichtig, die Gründe dafür zu verstehen. Betrachten wir das folgende Szenario:

UTG (100 BB)
MP (100 BB)
CO (100 BB)
BTN (100 BB) Schurke
SB (100 BB)
BB (100 BB) Held

Der Held erhält Jh9h

UTG steigt aus, MP steigt aus, CO steigt aus, BTN eröffnet mit 2,5 BB, SB steigt aus, Hero geht mit (1,5 BB zusätzlich zum BB).

Flop (5,5 BB)

KcQc 5d

BTN platziert eine C-Bet mit 4 BB, der Held geht mit 4 BB mit

Wir haben das untere Ende eines Gutshots. Daher sollten wir an dieser Stelle fast immer mitgehen. Aber warum? Erhalten wir überhaupt die richtigen Pot-Odds?

Nun, eigentlich nicht wirklich. Wir investieren 4 BB in einen Pot von insgesamt 13,5 BB, was bedeutet, dass wir auf dem Turn die richtige Karte bekommen müssen.

4 / 13,5 = 29,6 %

Also, wie häufig werden wir tatsächlich eine Karte bekommen, die wir brauchen? Wir haben 4 Outs (wir ignorieren für eine Minute, dass einige davon geringwertiger sind), was bedeutet, dass wir eine benötigte Karte auf dem Turn nur in ungefähr 8 % der Fälle (4 % * 2) bekommen.

Hmm... Wir können die direkten Pot-Odds nicht erhalten, also müssen wir uns auf die implizierten Pot-Odds verlassen. Wie sehen unsere implizierten Pot-Odds aus? Genau genommen, auch nicht so gut. Erstens werden wir auf dem River auch nur in 16 % aller Fälle die richtige Karte erhalten. Und selbst wenn wir diese bekommen, dann werden wir nicht die bestmögliche Hand haben.

Wir haben das untere Ende der Straße. Außerdem sind einige unserer Outs geringwertiger, da sie Kreuz sind. Selbst wenn wir eine unserer saubereren Outs auf dem Turn erhalten, besteht immer noch die Chance, dass auf dem River eine weitere Kreuz-Karte aufgedeckt wird, was unsere implizierten Pot-Odds verringert.

Okay. Unsere Pot-Odds sind also schlecht. Unsere implizierten Pot-Odds sind ebenfalls schlecht. Warum gehen wir dann also mit?

Lassen Sie uns als Hilfe auf der Suche nach einer Antwort zunächst definieren, was „Floaten“ beim Pokerspielen bedeutet.

Das Mitgehen bei einer marginalen Hand mit der Absicht, den Pot auf einer späteren Street zu stehlen.

Nicht viele Leute werden es verstehen, aber der Hauptgrund, warum wir unbedingt mitgehen müssen, ist der, dass diese Hand uns auf einer späteren Street einen netten Bluff erlaubt. Die Tatsache, dass sich auf dem Turn oder River manchmal noch eine mittelstarke Hand ergibt, ist ein zusätzlicher Bonus. Lassen Sie uns nun schauen, was aus dieser Hand wird.

UTG (100 BB)
MP (100 BB)
CO (100 BB)
BTN (100 BB) Schurke
SB (100 BB)
BB (100 BB) Held

Der Held erhält Jh9h

UTG steigt aus, MP steigt aus, CO steigt aus, BTN eröffnet mit 2,5 BB, SB steigt aus, Held geht mit (1,5 BB zusätzlich zum BB).

Flop (5,5 BB)

KcQc 5d

Der Held schiebt, der BTN platziert eine C-Bet mit 4 BB, der Held geht mit 4 BB mit

Turn (13,5 BB)

3c

Der Held schiebt, CO schiebt auch.

River (13,5 BB)

7d

Der Held setzt 8 BB, CO steigt aus.

Nun, da wir eine Möglichkeit haben die Hand zu gewinnen ohne uns verbessern zu müssen, verwandelt sich das Mitgehen auf dem Flop in +EV. Wenn wir jemals mit einer marginalen Hand floaten und dann nicht die richtige Gelegenheit zum Bluffen nutzen, wenn sie sich bietet, dann ist es in Wirklichkeit besser, wenn wir mit der Hand gar nicht erst floaten.

Das bedeutet nicht, dass wir unsere Hand auf einer späteren Street immer zu einem Bluff nutzen müssen. Aber hier hat unser Gegner mit dem Schieben auf dem Turn Schwäche gezeigt, was uns eine klare Gelegenheit verschafft hat, ihm den Pot wegzunehmen. Diese Art von Linie wird River Probe genannt. Wir können auf dem Turn eine ähnliche Linie verfolgen.

Turn Probes

In Wahrheit machen wir das meiste Geld nicht, wenn unser Gegner eine Continuation Bet macht, sondern wenn er zurückschiebt. Nehmen wir an, dass wir außer Position als einer der Blinds einen Cold Call machen und unser Gegner keine C-Bet macht. Dann sollten wir sofort nach einer günstigen Gelegenheit suchen, wie wir ihm den Pot entreißen können.

Betrachten wir eine ähnliche Hand, aber mit einem entscheidenden Unterschied. Unser Gegner entschließt sich, dass er auf dem Flop gar nicht erst eine C-Bet machen will.

UTG (100 BB)
MP (100 BB)
CO (100 BB)
BTN (100 BB) Schurke
SB (100 BB)
BB (100 BB) Held

Der Held erhält Jh9h

UTG steigt aus, MP steigt aus, CO steigt aus, BTN eröffnet mit 2,5 BB, SB steigt aus, Held geht mit (1,5 BB zusätzlich zum BB).

Flop (5,5 BB)

Kc 7h 5d

Der Held schiebt, BTN schiebt auch

Turn (5,5 BB)

Td

Der Held setzt 4 BB, CO steigt aus

Hier sehen wir das, was als Turn Probe bekannt ist. Unser Gegner signalisiert Schwäche, indem er auf dem Flop zurückschiebt, und wir nutzen dies aus, indem wir auf dem Turn einen Semi-Bluff spielen. Es ist zu beachten, dass wir, obwohl wir hier in diesem Beispiel einen Gutshot aufgenommen haben, gegen viele Spieler bei einem niedrigen Limit nicht notwendigerweise Pot Equity erzielen müssen, um diese Linie zu nutzen. Gegen die Mehrheit aller Gegner ist es profitabel, mit jeder beliebigen Hand zu setzen.

Aber was tun wir, wenn unser Gegner bei unserer Turn Probe mitgeht?

UTG (100 BB)
MP (100 BB)
CO (100 BB)
BTN (100 BB) Schurke
SB (100 BB)
BB (100 BB) Held

Der Held erhält Jh9h

UTG steigt aus, MP steigt aus, CO steigt aus, BTN eröffnet mit 2,5 BB, SB steigt aus, Held geht mit (1,5 BB zusätzlich zum BB).

Flop (5,5 BB)

Kc 7h 5d

Der Held schiebt, BTN schiebt auch

Turn (5,5 BB)

Td

Der Held setzt 4 BB, CO geht mit

River (13,5 BB)

3s

Der Held setzt 9 BB, CO steigt aus

Bei Spielen mit niedrigeren Limits können wir oftmals fast automatisch gewinnen, indem wir in zwei Streets bluffen, sobald unser Gegner auf dem Flop zurückschiebt. Das bedeutet nicht, dass wir immer setzen sollten. Jedoch sollten wir über die Range unseres Gegners und unsere spezifische Hand nachdenken.

In diesem Fall gibt es einige Draws, die unser Gegner erhalten kann, die ihm auf dem River das Aussteigen erleichtern. Einige dieser ruinierten Draws schlagen sogar unsere Hand, z. B. QJ high, was zu einem OESD führt.

Dann gilt:

  • Unser Gegner hat Hände in seiner Range, bei denen er Aussteigen kann
  • Wir verfügen selbst nur über einen geringen Showdown Value

An dieser Stelle ist es sinnvoll, mit unserer Hand zu bluffen.

Fassen wir zusammen

Es gibt natürlich andere Linien, die wir nutzen können, um nach dem Flop unseren Big Blind-Einsatz zu verteidigen, aber wir haben die wichtigsten betrachtet.

Schieben/Mitgehen gefolgt von Schieben/Erhöhen auf dem Turn kann eine Linie sein, mit der es sich zu experimentieren lohnt, sowohl als Bluff als auch als Value Bet.

Auch das leicht unorthodoxe Schieben/Mitgehen auf dem Flop, gefolgt von einer Donk-Bet auf dem Turn kann in der richtigen Situation sehr effektiv sein.

Als Erweiterung dessen ist auch ein Schieben/Mitgehen auf dem Flop, Schieben/Mitgehen auf dem Turn, eine Donk-Bet auf dem River als Bluff oder als Value Bet möglich.

Dabei handelt es sich jedoch aber meistens um Linien für fortgeschrittene Spieler. Es ist empfehlenswert, sich zunächst mit den Pre-Flop-Ranges vertraut zu machen, bei denen wir verteidigen sollten, sowie den anderen 3 Post-Flop-Linien, die zuerst genannt wurden:

Schieben/Erhöhen auf dem Flop
River Probe
Turn Probe