Die Anzahl an starken Pokerspielern, die Deutschland in den letzten sieben Jahren hervorgebracht hat, ist wirklich erstaunlich. Es gibt wenige individuelle Auszeichnungen in der Pokerwelt, die noch nicht von einem deutschen Spieler gewonnen wurden.

Die allererste Welle an hochkarätigen deutschen Pokerspielern lässt sich bis ins Jahr 2009 zurückverfolgen. Dabei waren es insbesondere zwei Spieler, die auf sich aufmerksam gemacht haben – der damals 23-jährige Benny Spindler und ein 18-jährigen namens Dominik Nitsche. Spindler sorgte im Januar mit einem dritten Platz bei der PCA und einem massiven Cash für Furore, aber er war damals bereits einige Jahre bei international renommierten Turnieren zu finden.

Für Nitsche war es eine ganz andere und vor allem neue Welt. Nachdem er sich beim Online Poker qualifiziert hatte, spielte Nitsche im April 2009 in Argentinien sein allererstes Live-Turnier - und mit einem Buy-in von 5.000$ waren die Einsätze für seine damaligen Verhältnisse unglaublich hoch. Aber bereits in den Anfängen seiner Karriere haben Nitsch diese Limits nicht aus der Ruhe gebracht. Als er den Final Table erreichte, machte er kurzen Prozess. Innerhalb von vier Stunden überrannte er die anderen Spieler, um sich den Titel und 381.000$ zu sichern.

Seine ruhige und kühle Art, die er bis heute beibehalten hat, zeigte sich schon damals in dem 18-jährigen Champion. In einem Gewinner-Interview mit Melissa Castello von PokerNews beantwortete Nitsche eine Frage, die Bände sprach – war er zu irgendeinem Zeitpunkt nervös?

"Nein."

Nitsche setzte sein Breakout-Jahr im Oktober 2009 fort, als er den zweiten Platz bei einem WPT High Roller in Marrakesch für über 120.000$ belegte. Damit steigerte er sein Jahresgewinn auf über 525.000$. Auch in den darauffolgenden Jahren ließ er nicht locker. 2010 standen am Ende Cashes von insgesamt 305.755$ zu Buche, während es 2011 432.030$ waren. Auch online war Nitsche nicht aufzuhalten. Mit über 3 Millionen Dollar an Online-Gewinnen, gehörte er und gehört er zu den besten Online-Spielern.  

Und die Gewinne sollten nicht aufhören!

Im Jahr 2012 änderten sich die Dinge für Nitsche grundlegend. Mit 21 Jahren war er jetzt nicht nur nach amerikanischem Recht volljährig, sondern durfte sich nun auch mit den besten der Welt bei der World Serie of Poker messen.

Nach drei kleinen Cashes bei No Limit Hold’em Turnieren der WSOP hatte Nitsche nur noch eine weitere Bracelet-Chance für den Sommer vor seinem allerersten WSOP Main Event – ??einem 1.000$ No Limit Hold’em Prelim.

Nitsche setzte sich gegen ein Feld von 4.620 Spielern durch und nahm am Ende nicht nur das Bracelet mit, sondern mit 654.797$ auch den damalig größten Cash seiner Karriere. Nur drei Monate später fügte er seiner Poker-Vita beim $3.300 Main Event in Johannesburg, Südafrika, seinen ersten WPT-Titel hinzu.

Im darauffolgenden Sommer erreichte Nitsche bei der WSOP 2013 sieben Mal die Geldränge, aber sein größter Erfolg des Jahres kam im Oktober bei der WSOP Europe. Beim zweiten von zwei Cashes erreichte Nitsche den Final Table des WSOPE Main Events, bei dem er sich schließlich als Dritter über weitere knapp 540.000$ freuen durfte.

Alle seine früheren WSOP-Ergebnisse halfen Nitsche, sich für die WSOP National Championship 2014 zu qualifizieren. Dieses Event war ein Volltreffer für den Deutschen, der sich kurz vor dem Start der WSOP 2014 sein zweites Bracelet sicherte. Das war in jenem Sommer aber nicht sein letztes Bracelet. Erneut ließ er bei einem No Limit Hold’Em Event ein großes Teilnehmerfeld hinter sich und nahm sein insgesamt drittes Bracelet und das zweite des Sommers mit nach Hause.

Auch wenn er mit 23 Jahren einer der jüngsten Spieler wurde, der jemals drei WSOP-Bracelets gewann, blieb Nitsch dennoch sehr zurückhaltend.

„Ich mag es, nicht zu emotional zu werden, deshalb war es für mich nur ein weiteres Jahr in meiner Karriere“, sagte Nitsche. „Ich bin froh, dass ich zwei Bracelets gewonnen habe, und das werde ich natürlich nie vergessen, aber ich muss sagen, dass ich das Gefühl habe, 2015 einen noch größeren Sprung machen zu können.“

Willkommen in den High Roller Kreisen

Für fast jeden Pokerspieler wäre es schwer, zwei WSOP-Bracelets in einem Jahr zu übertreffen. Nitsche sah jedoch die Möglichkeit, aufzusteigen und in einem Kreis erfolgreich zu sein, indem er noch keine Ergebnisse erzielt hatte – bei High-Roller- und Super-High-Roller-Turnieren.

„2015 begannen einige Dinge zu funktionieren, und ich hatte fast sofort Erfolg bei den Turnieren mit größeren Buy-Ins“, sagte Nitsche.

Er hatte bereits zwei Cashes bei Events mit Buy-Ins von mindestens 25.000$ vorzuweisen, aber Nitsche wusste auch 2015 weiter zu überzeugen. Es gab sechs WSOP-Cashes, darunter einen dritten Platz beim 5.000$ Eight Handed No Limit Hold'em Event, zusammen mit einem dritten Platz im Bellagio Cup.

„Ich bin sehr glücklich, ich hatte einen hervorragenden Sommer“, sagte Nitsche. „Zwei Final Table zu erreichen, liegt natürlich weit über meinen realistischen Erwartungen. Wir haben beim Bellagio Cup einen Deal gemacht, also gab es am Ende keine Enttäuschung, auch wenn ich nicht gewonnen habe. Natürlich hätte ich gerne mein viertes Bracelet geholt, aber so funktioniert Poker [meistens] nicht.“

„Ich werde mich weiterhin in Positionen bringen, in denen ich Glück haben kann, zu gewinnen“, sagte Nitsche. „Irgendwann werden die Titel folgen – oder vielleicht weitere 3. Plätze.“

Seit Nitsche Ende Juli in North Carolina einen weiteren Deep Run in einem WSOP National Event hatte, war es an der Live-Turnierfront weitgehend ruhig. Das bedeutete aber nicht, dass er sich zurücklehnte. Nitsche arbeitete akribisch weiter an seinen Fähigkeiten.

„Ich spiele viel Poker, meistens auf 888“, sagte Nitsche über seine Aktivitäten in den letzten Monaten. „Ich ging zur EPT Barcelona, ??wo ich mein erstes Event mit einem Buy-In von 50.000€ spielte. Ich habe die Erfahrung genossen, bin aber leider kurz vor der Bubble rausgeflogen. Es war ein sehr hartes Feld, aber ich freue mich darauf, die meisten der kommenden High-Roller- und/oder Super High-Roller-Events zu spielen. Ich habe das Gefühl, dass ich bei einer anständigen Stichprobengröße ziemlich gut abschneiden werde, da ich sehe, dass viele Top-Profis Fehler machen, die man auf diesem Niveau nicht machen sollte.“

Während er beim 50.000€ High Roller nicht zuschlagen konnte, reichte es beim 10.000€ High Roller immerhin für die Geldränge, bevor er eine seltene, wenn auch kurze Spielpause einlegte.

„Nach Barcelona ging ich zur Hochzeit meines Freundes Andrew Teng nach Singapur“, sagte Nitsche. “Das war ein lustiger Urlaub, der nichts mit Poker zu tun hatte.”

Zurück im Pokeralltag

Im Oktober war Nitsche jedoch wieder in Action, als die WSOPE erstmals nach Deutschland kam. Er wollte unbedingt den gleichen Erfolg in Deutschland haben, wie zuvor in Las Vegas.

„Es fühlt sich unglaublich an“, sagte Nitsche. „Jedes Mal, wenn du zum Spielen nach Vegas gehst, fühlt es sich einfach besonders an. Ich bin mir nicht sicher, ob es an den Bracelets oder dem Gefühl liegt, riesige Teilnehmerfelder schlagen zu müssen. Aber es besteht kein Zweifel, dass jedes WSOP-Event etwas Besonderes ist. Ich freue mich, dass wir endlich wieder ein wenig von dieser Erfahrung in meinem Heimatland haben und hoffe, dass die WSOPE in Berlin ein Erfolg wird.“

Auch was seine Erwartungen an die Serie selbst angeht, war er sehr optimistisch.

„Ich erwarte, dass es die größte und beste WSOPE ist, die wir je gesehen haben“, sagte Nitsche. "Der Turnierplan sieht toll aus und viele Amerikaner, die ich kenne, machen die Reise über den großen Teich."

Nitsche und George Danzer sind derzeit die einzigen beiden Deutschen mit drei WSOP-Bracelets, wobei Danzer alle drei in einem großartigen Jahr 2014 gewann. Beide streben ein viertes auf heimischem Boden an, um die alleinige Führung in diesem „Privatduell“ zu übernehmen.

„George und ich verstehen uns gut und machen den ein oder anderen Witz über dieses Thema“, sagte Nitsche. "Natürlich gebe ich zu, dass er der Favorit ist, aber ich glaube nicht, dass meine Gewinnchancen so schlecht sind."

Nitsche gesteht Danzer aufgrund seiner Mix-Game-Fähigkeiten den Vorteil zu, aber er glaubt immer noch, dass er woanders seine Stärken hat.

„Ich würde mich auch sehr für George freuen, wenn er mich überholen kann“, sagte Nitsche. „Sein Wissen über alle Formen des Pokers ist einfach hervorragend. Ich liebe es, wenn hart arbeitende Spieler Erfolg haben – und George gehört definitiv dazu. Er hätte eigentlich schon viel früher Erfolg haben müssen.“

"Ich bin ein besserer No Limit Hold'em Spieler als je zuvor", sagte Nitsche. „Und ich bin sehr zuversichtlich, es mit so ziemlich jedem Spieler in einem No Limit Hold’em Turnier aufnehmen zu können. Ich würde mich freuen, ein viertes Bracelet zu gewinnen und natürlich wäre es einfach großartig, dies in Deutschland zu schaffen. Es ist ein großes Ziel, und ich werde mein Bestes geben.“

Es ist sicher eine freundschaftliche Rivalität, und Nitsche glaubt, dass ein Verlust dieses Titels nur ein vorübergehender Rückschlag wäre.

„Ich werde ihn nächstes Jahr sowieso einfach wieder überholen“, sagte Nitsche.

Das Spiel auf seine eigene Art spielen

Nitsche ist sehr zuversichtlich in Bezug auf seine eigenen Fähigkeiten, aber er ist alles andere als zufrieden damit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Er investiert viel, um sein Spiel auf ein noch höheres Niveau zu bringen, aber selbst mit all den Tools und Ressourcen, die es gibt, ist Nitsche der Meinung, dass Turnierpoker für diejenigen, die gut genug sind und hart genug arbeiten, immer noch schlagbar ist.

„[Es ist] viel schwieriger, als 99 Prozent der professionellen Pokerspieler erkennen“, sagte Nitsche. „Es ist seltsam, und ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, aber aus irgendeinem Grund hat sich Turnier-Poker einfach nicht so schnell entwickelt wie Cash Games. Wenn Sie wirklich einer der besten Turnierspieler sein wollen, gibt es einfach so viele Dinge zu lernen.“

Vieles von dem, worüber Nitsche spricht, kommt von den vielen verschiedenen Situationen, mit denen Spieler im Laufe eines Turniers konfrontiert werden.

„Turniere beginnen normalerweise ziemlich Deep Stacked – sozusagen wie ein Cash Game“, sagte Nitsche. „Die Stacks werden dann kleiner mit einem Big Blind-Durchschnitt von 40-50 – und das ist eine ganz neue Spielsituation. Dann kommt die Bubble, und plötzlich wird ICM [Independent Chip Model, eine Formel, die hilft, den Wert der Stacks der Spieler zu berechnen] zu einem noch größeren Faktor. Eine andere Sache, die man beachten sollte, ist, dass die Stacks und ICM auch das Spiel nach dem Flop beeinflusst.“

„Ich könnte ewig so weitermachen, aber grundsätzlich ist das Turnierspiel unglaublich komplex – und ich denke, deshalb sind die Spieler immer noch ziemlich schlecht“, sagte Nitsche. „Es ist so schwer, all die Konzepte zu beherrschen, die ich gerade erwähnt habe. Ich habe das Gefühl, dass ich aufgrund meiner Karriere eine ziemlich gute Vorstellung davon habe, was ich tue.“

Nitsche bezieht sich auf sein breites Wissen und seine Erfahrung. Er begann als Sit & Go-Spieler, wechselte zu Online-Turnieren und ist mittlerweile auch als Cash-Game-Spieler aktiv.

„Ich habe hauptsächlich Deep Stack Six Max No Limit Hold’em Cash Games auf 888 Poker gespielt und studiert, bis ich gut genug war, um auf NL100 zu spielen“, sagte Nitsche. „Dann habe ich angefangen, alles zu spielen – Shortstack Six Max und diverse Heads-Up-Varianten, die ich auch in Bezug auf Turniere sehr wichtig finde.“

„In letzter Zeit lag mein Hauptaugenmerk auf den ‚Push or Fold‘-Spielen bei 888 Poker“, sagte Nitsche. „Also kann ich sagen, dass mein Shortstack-Spiel deutlich besser geworden ist.“

Die „Push or Fold“-Tische bei 888, an denen sich Spieler nur für das Fünffache des Big Blinds einkaufen können, sind ideal für Spieler, die hoffen, besser bestimmen zu können, wann sie den kleinsten Vorteil zum richtigen Zeitpunkt pushen müssen. Es ist nur ein Teil von Nitsches aktuellem Online-Turnierplan, wenn er unterwegs ist und Zeit mit seiner Freundin in Edinburgh, Schottland, verbringt.

„Ich spiele viel“, sagte Nitsche. „Normalerweise spiele ich jeden Tag Cash Games, außer dienstags und sonntags, wenn ich Turniere spiele. Mittwochs und freitags nehme ich mir manchmal frei, weil die Action an diesen Tagen etwas zäher sein kann. Normalerweise studiere ich Poker nebenbei, wenn es keine Spiele gibt, und warte auf die richtigen Spiele. Ich glaube, das ist das Beste für meinen langfristigen Erfolg.“

Den GPI-Preis im Blick

Während Nitsche viel online spielt, auch wenn er unterwegs ist, verbringt der Deutsche noch mehr Zeit als sonst im Live-Circuit. Es gibt einen großen Grund dafür - den GPI Player of the Year. Nitsche belegt derzeit den achten Platz in der Gesamtwertung und den 15. Platz im Rennen um den Spieler des Jahres. Obwohl er bereits viele starke Resultate vorzuweisen hat, wartet Nitsche noch auf die erste individuelle Auszeichnung, die die langfristigen Ergebnisse eines Spielers belohnen.

„Ich war ziemlich beschäftigt, da ich eine realistische Chance habe, GPI Spieler des Jahres zu werden", sagte Nitsche. „Obwohl es in der Vergangenheit nie ein Hauptziel für mich war, ist mir jetzt klar, dass dies wahrscheinlich meine beste Chance ist, diesen Titel jemals zu gewinnen. Ich habe beschlossen, dass ich alles dafür machen werde."

Tim Fiorvanti hat einen Abschluss an der St. John’s University. Er erlangte den Bachelor of Science (B.S.) in Journalismus im Jahre 2009. Nach einem Ausflug zum Video-Editing begann er als leitender Autor für das Bluff Magazin zu schreiben, wo er 2014 zum Chefredakteur aufstieg. Zur Zeit ist er Mitherausgeber und Autor bei mehreren großen Nachrichtenagenturen.