„F**k....“

Das ist wohl der am häufigsten gebrauchte Ausdruck im Poker. Wenn ein Fisch im River sein einziges Out findet oder dein meisterhafter All-In-Bluff innerhalb weniger Sekunden auffliegt.

Doch noch nie war dieser äußerst britische Ausdruck so zutreffend wie bei der WSOPE 2007 in London.

Im Empire Vegas am Leicester Square saß ein unbekannter Onlineprofi aus Norwegen beim größten europäischen Poker-Event und hatte ein Auge auf den ersten Preis in Höhe von £ 1 Million geworfen. Ihr Kontrahent war der junge Welsh (Waliser) John Tabatabai.

Besonders bemerkenswert daran war nicht nur, dass Annette "Annette_15" Obrestad gerade einmal 18 Jahre alt war, sondern dass eine Frau im Begriff war, Poker-Champion zu werden.

Nachdem beide Spieler All-In gegangen waren, drehte der norwegische Teenager, der zuvor auf dem Weg ins Finale etliche Poker-Größen ausgeschaltet hatte, seine Karten um – Herz-7, Pik-7 auf einem Board mit Kreuz-7, Kreuz-6 und Herz-5 – und hatte damit das höchste Set.

Kleinlaut drehte Tabatabai Pik-5 und Karo-6 um und äußerte dann mit perfektem Timing den oben erwähnten Ausdruck aus vier Buchstaben.

Obrestad gewann mit dem höchsten Set und blieb anschließend regungslos auf ihrem Stuhl sitzen und ließ diesen monumentalen Augenblick auf sich wirken. Zum ersten Mal seit einer Woche rollte eine Träne ihre Wange herunter: Sie hatte Poker auf ewig verändert. „

 

Der Aufstieg der Frauen im Poker

Obrestads Erfolg war phänomenal und ein Zeichen für zwei wichtige Trends.

Erstens beginnen immer mehr junge Menschen, sich intensiv und erfolgreich mit dem Spiel zu beschäftigen, und zweitens bedeutet die weite Verbreitung von Onlinepoker, dass Frauen sich nicht mehr in ein Vegas begeben müssen, um das Spiel auszuprobieren.

Obrestad hatte jahrelang online geübt (daher rührt ihr Alias „Annette_15“) und hat dabei viel Erfahrung sammeln können.

Zwar waren Frauen bereits auf dem Vormarsch, als Obrestad der jüngste Main Event Champion aller Zeiten wurde. In den USA gab es bereits mehrere Spielerinnen, die aus dem TV bekannt waren, um hohe Einsätze spielten und Bracelets gewannen.

Ihr Sieg führte jedoch zu einer Menge Veränderungen: Immer mehr und immer jüngere Frauen spielen Poker, und sie kennen sich überdies immer besser im Internet aus.

Wie kam es zu diesen Veränderungen und wird sich dieser Trend auch in Zukunft durchsetzen? Begeben wir uns einmal auf die Suche nach den Hintergründen, warum Frauen in Zukunft an den Pokertischen ganz groß rauskommen können:

  • Besser zugängliche Pokerspiele in Kneipen und Vereinen
  • Mehr Frauen, die Preisgelder und Titel gewinnen
  • Mehr Pokerwerbung im Fernsehen
  • Etablierte weibliche Vorbilder und gesponserte Profispielerinnen im TV

comparing the greats

Ein Spiel für Männer?

Vor gar nicht allzu langer Zeit war Poker ein Spiel, das nur Männern vorbehalten war und von fahrenden Spielern gespielt wurde. Frauen wurden selten in die Runde aufgenommen; gelegentliche Ausnahmen bildeten Spielerinnen wie Barbara Enright und Terry King zu den Anfangszeiten der WSOP.

Der Pokerboom zu Beginn des neuen Jahrtausends führte jedoch dazu, dass Poker sich immer mehr in der Gesellschaft etablierte. Poker konnte nun online gespielt werden, man musste zum Spielen nicht mehr in ein Vegas gehen, und die Einsätze wurden gesenkt, um Einsteigern entgegenzukommen.

Spielerinnen wie Annette_15 und die ehemalige 888poker-Profispielerin Xuan Liu klappten im Studentenwohnheim einfach ihren Laptop auf und spielten ein paar Stunden. Sie konnten über Hände diskutieren und ihr Spiel verbessern, ohne sich mit verschwitzten Männern an einen Tisch setzen zu müssen.

In der Zwischenzeit wurden US-Berühmtheiten wie Jennifer Harman, Vanessa Rousso und die Hollywood-Schauspielerin Jennifer Tillyvon Fernsehsendern angesprochen und für Sendungen wie High Stakes Poker gewonnen. Für manche Frauen wie Rousso und Annie Duke war Poker in den USA das Sprungbrett in große Reality-Shows.

Duke trat in der US-Version der Show „The Apprentice“ auf, während Rousso bei Promi Big Brother zu sehen war. Und der Erfolg der Frauen spornte mehr weibliche Spieler dazu an, den Männern zu beweisen, dass auch Frauen gute Pokerspieler sind.

Veränderte Gesetzeslandschaften

Poker an sich wird immer stärker akzeptiert.

Millennials, die jetzt erwachsen werden, leben in einer Ära, in der Onlinespielen mittlerweile die Norm und nicht länger die Ausnahme ist. Der Black Friday in den US ist nun über vier Jahre her, und seitdem sind Pokerwebseiten in Nevada, New Jersey und Delaware legalisiert worden.

Live-Poker floriert weiterhin durch Veranstaltungen wie das hochdotierte Colossus-Event bei der diesjährigen WSOP, das 22.000 Teilnehmer anlockte.

In Großbritannien hat der Gambling Act 2005 den Weg für Spiele mit niedrigen Einsätzen in Kneipen geebnet. Es ist nun vollkommen legal, mit einem Einsatz von £ 5 in einer Eckkneipe zu spielen. Diese Änderungen fanden vor über 10 Jahren statt, und seitdem reißt die Nachfrage nach Hobby-Pokerturnieren, die sowohl Männer als auch Frauen anlocken, nicht ab.

„Poker ist definitiv ein soziales Event für unsere Spieler, egal ob Mann oder Frau“, sagt Richard Couch von Redtooth Poker.

„Unsere Spiele finden an einem Abend pro Woche statt, sie sind günstig (das Buy-In liegt bei £ 5), und die Spieler erhalten die Chance, sich für Turniere mit höheren Preisgeldern zu qualifizieren. Insgesamt geht es nicht um aggressives Spielen, sondern um eine nette Art, unter Leute zu kommen und Poker zu spielen.“

Aktuelle Änderungen im Glücksspielgesetz haben in Großbritannien dazu geführt, dass Glücksspiel stärker akzeptiert und von immer mehr Frauen gespielt wird. In britischen Pubs darf beim Pokern nun um ein Preisgeld von bis zu £ 100 gespielt werden, und zum Betreten eines konventionellen Vegas'es ist nicht mehr zwingend eine Mitgliedschaft erforderlich.

Laut den Zahlen der Gambling Commission fühlen sich Frauen immer stärker zum Glücksspiel hingezogen. Dies trifft insbesondere online zu, wo der Anteil weiblicher Spieler in Großbritannien von 7,8 % im Jahre 2008 auf 12,8 % im Jahre 2014 stieg.

Interaktive Onlinespiele befinden sich ebenfalls im Aufstieg. Interaktives Online-Pokern auf Facebook beispielsweise verzeichnete 2013 im Vergleich zum Vorjahr einen Spieleranstieg von 22 %. Der stetige Anstieg an Onlinespielern erklärt sich in nicht geringem Maße durch eine gesetzliche Lockerung bei der TV-Werbung für Vegas'es und Online-Wettbüros. Zur besten abendlichen Sendezeit und sogar tagsüber sieht man in Großbritannien mittlerweile genauso häufig TV-Werbespots für Pokerwebseiten wie für Lebensmittel, Autos oder Schönheitsprodukte.

Doch nicht nur Bingo-Webseiten und Vegas richten ihre Werbung gezielt auf Gelegenheitsspieler aus. Die großen Poker Rooms verschieben die Gewichtung durch die Abschaffung von Heads Up-Tischen und Ranglisten immer weiter zu Gunsten der Neueinsteiger, sodass eine völlig neue Generation an Neulingen Gefallen am Poker findet.

Nehmen wir die sagenhafte Geschichte der britischen Spielerin Anna "DuckRatMe" Duxbury als Beispiel. Anna begann mit über 20 mit dem Onlinepoker, als sie mit ihrem zweiten Kind schwanger wurde. Angeregt durch interaktive Onlinespiele wie Zynga Poker und im TV ausgestrahlte Pokersendungen wagte sie sich an die Onlinetische und hat diese Entscheidung nie bereut.

Langsam schließt sich die Lücke in der WSOP

Während die Amateure an ihren Laptops und in der Kneipe spielen, was geschieht derweil im Profisport Poker? Führt der wachsende Anteil der Frauen dazu, dass einige von ihnen auch in den Profibereich wechseln?

2012 haben es beim WSOP Main Event zwei Frauen erstmals beinahe – beinahe – an den Finaltisch geschafft. Gaelle Baumann, eine Cash-Spielerin aus Frankreich, und die norwegische Kellnerin Elisabeth Hille schieden in dem Jahr ganz knapp vor dem Erreichen der November Nine aus.

Erstmals seit 12 Jahren hatten es zwei Frauen unter die letzten 20 Spieler des WSOP Main Events geschafft. Baumann schied unter fragwürdigen Umständen am Finaltisch an 10. Stelle aus, während Hille sich mit dem 11. Platz zufrieden geben musste. Im Anschluss an das Main Event ergatterten beide Spielerinnen lukrative Sponsorenverträge.

Selbst wenn eine der Spielerinnen es an den Finaltisch mitsamt der damit einhergehenden Medienberichterstattung und ESPN-Übertragung geschafft hätte, kann niemand mit Gewissheit sagen, wie sich dies auf die Anzahl weiblicher Teilnehmer am Main Event im Folgejahr ausgewirkt hätte. Fotogen genug waren beide Spielerinnen sicherlich allemal, um sich die Aufmerksamkeit und einen Teil des Werbebudgets der Sponsoren zu sichern.

female players rank

Anteil der Frauen noch immer niedrig

Es ist dennoch ein Wort der Vorsicht geboten. Was im Jahre 2012 geschah, kann reiner Zufall gewesen sein. Die Anzahl der Frauen, die an WSOP Main Events teilnehmen, verzeichnet nach wie vor einen eher schleichenden Anstieg. 2014 waren von 6.683 Main Event Teilnehmern nur 3,9 % weiblich.

Dieses Jahr wurde der Colossus eingeführt, ein einzigartiges Event mit einem Buy-In von $ 565, das mehr als 22.000 Teilnehmer anzog. Doch trotz der angeblich auf Gelegenheitsspieler ausgerichteten Turnierstruktur waren nur 6 % aller Teilnehmer (ca. 1.500) Frauen.

Laut 888poker-Profi Jess Dawley ist es trotz eines großen unausgeschöpften Marktpotenzials (weiblicher Spieler) noch immer üblich, am Pokertisch einschüchternde und sexistische Kommentare von Männern zu hören.

Abseits des Main Events gehen Bracelet- und Preisgewinne jedoch immer häufiger an Frauen.

Unsere zweite Infografik zeigt, dass die besten Spielerinnen Jahr für Jahr höhere Preisgelder mit nach Hause nehmen und auch die Anzahl der Preisauszahlungen ansteigt. Gleichzeitig sank das Durchschnittsalter der bei der WSOP erfolgreichen Frauen von 48 im Jahr 2006 auf 38 im Jahr 2015.

Ähnlich verhält es sich bei anderen großen Turnieren wie der EPT, bei der Victoria Coren-Mitchell als erste Person überhaupt zwei EPT-Titel gewann und Stars wie Liv Boeree ebenfalls EPT-Titel halten.

Gibt es noch Grund für ein reines Ladies Event?

Sind Ladies Championships die richtige Antwort auf die aktuellen Entwicklungen? Ein Turnier, bei dem sich ausschließlich Frauen anmelden können und in dem die Damen in einer entspannten Atmosphäre aufeinander treffen?

Ladies Championships gibt es bereits seit den Anfängen der WSOP. Im Rahmen der World Series 1977 wurde ein $100 Ladies Seven Card Stud-Turnier ausgetragen, bei dem mehr Amateure spielten.

In der Zwischenzeit wurden Ladies Championships im Fernsehen ausgestrahlt, beispielsweise die 888.com Women's Poker Open – die noch immer besteht. Es ist das größte Poker-Event, welches ausschließlich für Frauen ausgerichtet wird.

Lizzy Harrison führte das 888poker Content Team bei der WSOPE 2015 an. Für sie gibt es keinen Grund, weshalb Frauen nicht auf den großen Pokerbühnen der Welt mitmischen sollten.

„Die Beteiligung der Frauen am Poker wächst weiterhin Jahr für Jahr“, sagt sie. „Frauen in der Pokerwerbung einzusetzen ist eine gute Idee, um mehr weibliche Spieler anzulocken. Es zeigt anderen Frauen, die vielleicht noch zögern, dass Poker ein Spiel für beide Geschlechter ist.“

Harrison fügt jedoch ein Wort der Warnung für Marketingabteilungen hinzu. „Ich glaube, Frauen werden zu stark sexualisiert. Es wäre sinnvoll, das ein wenig abzumildern, um Poker noch ansprechender zu machen. Die Werbespots, in den Frauen als Objekte dargestellt werden, sprechen eher Männer als Frauen an.“

Die aus den USA stammende Profispielerin Maria Ho hat kein Problem damit, dass Poker von Männern dominiert wird. Sie ist jedoch der Auffassung, dass mehr unternommen werden kann, um bei Frauen das Interesse am Poker zu wecken.

„Ich glaube, dass Poker und die dazu benötigten Fähigkeiten nicht sonderlich feminin sind und sich somit kein großes Spektrum von Frauen angesprochen fühlt und das ist auch okay“, sagt sie. „Ich glaube nicht, dass man sich besonders bemühen muss, um mehr Frauen anzulocken, die eventuell gar kein Interesse an Poker haben. Für diejenigen jedoch, die den Wunsch haben zu spielen, muss dafür gesorgt werden, dass sie sich willkommen fühlen und ihren Platz in der von Männern dominierten Szene finden können.

Meiner Erfahrung nach werden Frauen an den Tischen noch immer auf ziemlich althergebrachte Art und Weise behandelt. Der Anblick von Frauen im Teilnehmerfeld wird jedoch immer normaler. Auch lässt es sich nicht leugnen, dass diese Frauen die Ranglisten hochsteigen, Bracelets gewinnen, Rekorde brechen und konsistentere Erfolge als in früheren Jahren verbuchen.

Die Pokerwerbung ist ganz klar auf Männer ausgerichtet. Aus geschäftlicher Sicht ist das durchaus verständlich, da Männer über 90 % der Kunden ausmachen. Welches Unternehmen würde hier anders handeln? Ich halte das nicht für etwas Negatives, obwohl die Anzahl an Frauen dramatisch zunehmen könnte, wenn die Branche Wege finden könnte, das Spiel und die Atmosphäre für Frauen ansprechender zu gestalten.“

Hier kommen die Mädels

Poker hat sich sehr gewandelt, seit gefürchtete Straßenspieler dafür sorgten, dass Poker Rooms eine Sperrzone für Frauen waren. Obwohl das Spiel noch immer ohne Zweifel von Männern dominiert wird, ist es für Frauen mittlerweile zugänglicher geworden. Es gibt sogar eine spezielle Website nur für Frauen im Poker.

Trotz der längst veralteten Vorurteile einiger Spieler werden mehr und mehr Frauen durch preisgünstige Pokerrunden in Pubs und Amateurveranstaltungen an das Spiel herangeführt. Darüber hinaus bietet Onlinepoker eine sichere und stressfreie Möglichkeit, von zuhause aus zu spielen.

Werden in Zukunft bei der WSOP mehr Preisgelder und Bracelets an Top-Spielerinnen verliehen? Wetten Sie besser nicht dagegen.